Wir wollten schon immer einmal eine Wanderung der besonderen Art machen, bei der wir einen für unsere Region etwas untypischen tierischen Begleiter haben. Also haben wir, meine Frau und ich, uns bei einem Lamahof zwei Tiere reserviert, um mit diesen eine Tageswanderung zu machen. Tageswanderung heißt in diesem Fall eine etwa 12 Kilometer lange Tour, bei der wir die Tiere, in unserem Fall zwei Lamas, führen und ein Stück weit die Verantwortung für diese übernehmen.
Anfangs gibt es eine Einweisung, bei der einiges über Lamas und Alpakas erzählt wird und was wir beim Führen beachten müssen. Dann müssen zunächst die Tiere eingefangen werden. Nachdem wir uns unser Wunschtier ausgesucht haben und von Anita, der Chefin des Lamahofs, zu jedem Tier die individuellen Eigenarten erläutert bekommen haben, wird die Leine angelegt und wir bekommen die Gelegenheit, uns erstmal kennen zu lernen und uns gegenseitig vertraut zu machen. Ich habe mir das Lama mit dem Namen Prinz Igor ausgesucht, weil er mir beim Einfangen mit seinem grau-gefleckten Kopf aufgefallen ist und er sofort mein Interesse geweckt hat. Prinz Igor ist ein sehr gutmütiges Kuschel-Lama, was allerdings nicht bedeutet, dass er von sich aus bei mir ankommen wird. Vielmehr heißt das, dass er es problemlos zulässt, dass man ihm am Hals streichelt. Das ist bei Lamas und Alpakas schon eher die Ausnahme, denn es sind sehr kontaktscheue und ziemlich schreckhafte Fluchttiere, die normalerweise kaum Berührungen zulassen. Anita meinte jedenfalls, dass Prinz Igor insofern eine gute Wahl war.
Unterwegs lehren uns die Tiere dann, dass wir uns öfter mal ein wenig in Geduld üben müssen, denn sie nutzen jede erdenkliche Möglichkeit, um zu fressen – und sie machen vor keiner Pflanze und keinem Baum halt. Und ab und zu zeigt Igor mir, dass er, wenn er möchte, der Stärkere ist. Seine individuelle Eigenart, vor der mich Anita „gewarnt“ hat, ist, sich links vor mich zu schieben und als einziges Tier der Karawane immer auf der linken Seite zu fressen (Lamas werden rechts geführt), so dass ich erst immer eine komplette linke Körperdrehung mit ihm vor dem Weiterlaufen machen muss. Trotzdem lässt er sich bei gleichmäßigem Zug an der Leine nach kurzer Zeit zum Weiterlaufen überreden, aber eben immer mit Drehung.
Es war jedenfalls eine völlig andere, sehr interessante und wunderbare Wander-Erfahrung, bei der ich mich mit meinem mir anvertrauten Tier abstimmen musste und wir für sechs Stunden ein tolles Team waren.